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Doch wieder Kernkraftwerke? Solothurner Politik und Wirtschaft suchen Lösungen für die drohende Stromknappheit

Oltner Tagblatt, Raphael Karpf, 14.06.2022

Diskutierten auf dem Podium (von rechts): Ronald Trächsel, Pirmin Bischof, Brigit Wyss, Daniel Probst und Sonja Hasler (Foto: Hanspeter Bärtschi)

 

Wegen des gescheiterten Rahmenabkommens mit der EU drohte der Schweiz, dass sie im Winter 2025 zu wenig Strom hat. Dann kam der Ukraine-Krieg: Nun drohen bereits im kommenden Winter Engpässe. Was kann getan werden? Das diskutierten am Dienstagabend Vertreter aus Wirtschaft und Politik an einem vom Energiekonzern BKW organisierten Anlass in Solothurn.

 

«Dieses heisse Eisen wird herumgereicht, niemand übernimmt Verantwortung.»

Bund, Kantone, Stromversorger: Wer trägt die Verantwortung für die Versorgungssicherheit? Ronald Trächsel, Finanzchef der BKW, forderte, diese Frage zu klären. Wenn Betriebe investieren, ginge es ihnen darum, Geld zu verdienen. Ergo brauche es Rahmenbedingungen, damit sich Investitionen in die Versorgungssicherheit lohnten. Diese Rahmenbedingungen könne nur diejenige Stelle schaffen, die auch verantwortlich sei.

 

«Die Firmen machen sich Gedanken, selbst mit Dieselaggregaten Strom zu produzieren.»

Die Verfügbarkeit von Energie sei mit die grösste Sorge der Wirtschaft, sagte Daniel Probst, Direktor der Handelskammer. Das Problem sei vor allem die Geschwindigkeit: Weil Öl- und Gasheizungen mit Wärmepumpen, Benziner mit Elektroautos ersetzt werden, steige auch der Strombedarf. Man müsse Wege finden, um möglichst rasch zu handeln, innert Monaten. Doch egal, wie rasch dies sei: Für die Wirtschaft sei es wohl nicht schnell genug. Darum suchten manche nach Notlösungen.

 

«Wir müssen Gaskraftwerke bauen, um bis 2030 überbrücken zu können.»

Auch wenn ihm das Leid tue und dies gar nicht im Sinn der Bekämpfung der Klimakrise sei: Er sehe kurzfristig keinen anderen Weg, sagte Mitte-Ständerat Pirmin Bischof. Energie einzusparen, um in keine Mangellage zu kommen, sei zwar auch eine Möglichkeit. Aber nur eine theoretische. In der Grössenordnung Energie zu sparen, wie es notwendig wäre, sei nicht denkbar.

 

«Wir können in allen Bereichen effizienter werden.»

Mehr Strom sparen: Darin sah Regierungsrätin Brigit Wyss viel Potenzial. Von Firmen habe sie schon oft gehört, dass sie – wenn wirklich nötig – 15 Prozent effizienter werden könnten. Vor allem würden Sparmassnahmen sehr schnell greifen. Aber auch mittelfristig, gerade im Gebäudebereich, gebe es noch sehr viel Potenzial. Doch selbst Wyss musste auf Nachfrage von Moderatorin Sonja Hasler eingestehen: Um die akute Winterstromlücke zu umgehen, reiche Stromsparen allein nicht.

 

«Wir kommen mittelfristig nicht darum herum, über Kernenergie nachzudenken.»

Nein, aktuell komme es nicht in Frage, ein neues Kernkraftwerk zu bauen, sagte Trächsel von der BKW. Doch um wirklich weg von fossilen Energien zu kommen, müsse man, in welcher Form auch immer, auch Kernenergie berücksichtigen. Auch Probst von der Handelskammer sprach sich gegen Technologieverbote aus, würde sich doch auch die Kernkraft weiterentwickeln; und wer wisse schon, welche technischen Möglichkeiten es in 20 Jahren gebe.

 

 

Ständerat Bischof betonte, dass der Bau neuer Kernkraftwerke kurzfristig keine Lösung sei – dauere doch alleine der Bau viel zu lange. Was aber helfen könne: Die bestehenden Werke nicht vorzeitig abzuschalten. Dazu gebe es mittlerweile einen Konsens von links bis rechts.

 

«Man lebt als Rechtsanwalt von solchen Beschwerden. Doch in unserem Land haben wir das auf die Spitze getrieben.»

Selbstironisch sprach Anwalt Bischof die Bewilligungsverfahren für erneuerbare Energien an. Diese müssten dringendst vereinfacht werden. Probst von der Handelskammer stellte die Frage, ob es denn richtig sei, wegen eines Vogelpärchens auf Windräder auf dem Grenchenberg zu verzichten.

 

Trächsel von der BKW sagte: In der Schweiz sei es aktuell nicht möglich, einen Windpark zu bauen. Man müsse auch darüber diskutieren, ob man für mehr Versorgungssicherheit nicht auf etwas Umweltschutz verzichten könne.