Energie-Krisengipfel zwischen Solothurner Regierung und Wirtschaft: «Es herrschen immer noch grosse Unsicherheiten»
Solothurner Zeitung, Sébastian Lavoyer, 16.09.2022
Am Freitagnachmittag haben sich Gewerbe (im Bild Andreas Gasche, Geschäftsführer des Kantonal-Solothurnischen Gewerbeverbandes) und Regierung (Volkswirtschaftsdirektorin Brigit Wyss) zu einem Energie-Krisengipfel getroffen. Fotos:Hanspeter Bärtschi / Carole Lauener
Dreissig hochrangige Personen aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung trafen sich am Freitagnachmittag in Solothurn zum Energie-Krisengipfel. Der Bund ist gefordert, der Kanton macht Druck, und die Wirtschaft lechzt nach mehr Planungssicherheit.
Die Energiesituation ist kritisch – und wir alle sind betroffen. Auch die Wirtschaft. Das war denn auch der Grund, dass sich am Freitag in den Räumlichkeiten des Kantonal-Solothurnischen Gewerbeverbands an der Hans-Huber-Strasse in Solothurn eine illustre Runde traf. Insgesamt rund 30 Vertreter von Industrie und Gewerbe, aber auch von Kanton und Bund. Ein Energie-Krisengipfel zurückgehend auf eine Initiative von Ypsomed-CEO und FDP-Kantonsrat Simon Michel.
Sowohl Regierungsrätin Brigit Wyss als auch die Wirtschaftsvertreter Andreas Gasche (Gewerbe) und Daniel Probst (Industrie) sprechen im Nachgang von einem «konstruktiven und lösungsorientierten» Gespräch. Handelskammerdirektor Probst sagt: «Die Regierung nimmt die Sorgen und Nöte der Wirtschaft ernst.»
Das heisst in diesem Fall konkret: Volkswirtschaftsdirektorin Brigit Wyss hat mehr Informationen gekriegt, um den Druck beim Bund zu erhöhen. Denn in vielen Bereichen sind dem Kanton die Hände gebunden, und man ist auf Entscheide des Bundes angewiesen.
Umgang mit Mangellage bleibt für Industrie unklar
Zurück zum Krisengipfel: Während des rund dreistündigen Gesprächs zwischen Wirtschaft, Politik und Verwaltung ging es im ersten Teil vor allem um die Mangellage. «Industrie und Gewerbe brauchen in erster Linie Planungssicherheit», sagt Volkswirtschaftsdirektorin Brigit Wyss. Sie müssen wissen, wann welche Eskalationsstufe eintritt, anhand welcher Indikatoren der Bund entscheidet.
Wann überhaupt eine Mangellage vorliegt und welche Szenarien wann zum Zug kommen, wurde den Wirtschaftsvertretern von Werner Meier, Delegierter für wirtschaftliche Landesversorgung, präsentiert. Angefangen bei Spartipps bis hin zu allfälligen Kontingentierungen. «Beim Umgang mit einer Mangellage herrschen immer noch grosse Unsicherheiten», bilanziert Industrievertreter Daniel Probst. Die produzierende Industrie brauche dringend mehr Planungssicherheit.
Im zweiten Teil des Gespräches standen die Energie-, insbesondere die Strompreise im Fokus. Matthias Gysler, Chefökonom des Bundesamtes für Energie, war per Videocall zugeschaltet, als die Gewerbler ihre Lage schilderten, die existenziellen Fragen, mit denen sie sich konfrontiert sehen. Und die teils grotesken Massnahmen, die sie prüfen müssen. Wie beispielsweise eine Umkehr vom Strom zum Öl.
Kanton muss Druck machen beim Bund
«Des Rätsels Lösung haben wir nicht gefunden», konstatiert Gewerbeverbandsgeschäftsführer Andres Gasche. Aber beim Bund sei die Dringlichkeit erkannt. Mehrere Arbeitsgruppen beschäftigen sich mit der Energie-Thematik, und Anfang Oktober solle ein umfassender Bericht vorliegen, anhand dessen der Bundesrat entscheiden werde. Immerhin so viel wisse man. Im Zentrum der Diskussionen gestern standen insbesondere zwei Möglichkeiten: Rückkehr von KMU-Betrieben in die Grundversorgung verbunden mit gewissen Strafzahlungen sowie Kurzarbeit.
Industrievertreter Probst sagt: «Die hohen Energiepreise sind für die betroffenen Unternehmen existenzgefährdend. Der Kanton kann dieses Problem nicht lösen, sich jedoch beim Bund für die Anerkennung von hohen Energiepreisen als Grund für die Kurzarbeit einsetzen.» Auch für gewisse Gewerbler wäre dies ein gangbarer Weg, wie Gasche ergänzt. Und er sagt: «Es war wichtig für Brigit Wyss, all die Ausführungen der Unternehmer mitnehmen zu können, damit sie beim Bund Druck machen kann.»
Wyss ist sich ihrer Rolle bewusst, sagt: «Wir sind näher an den Unternehmen als Bern. Und die Leute vom Bund waren heute auch am Tisch und wissen um die Not von grossen und kleinen Unternehmen.» So beschränkt die Möglichkeiten des Kantons im Moment sind, untätig ist man natürlich nicht.
Wyss: «Kanton und Gemeinden haben Vorbildfunktion beim Stromsparen»
Neben dem Austausch mit Wirtschaft, Energieversorgern, Swissgrid und Bundesbehörden trifft sich Brigit Wyss Ende Monat im Sonderstab Energie mit Gemeindevertretern aus dem ganzen Kanton. Wyss: «Es gibt schon so viel Papier und Vorlagen vom Bund, dass wir uns vorgängig darüber unterhalten, welche Massnahmen wirklich wirksam sind, Sinn machen und technisch machbar sind.»
Schon jetzt ist klar, dass es vor allem um Dinge wie Licht und Innentemperatur von Gebäuden gehen wird. Wyss: «Da gibt es viel Sparpotenzial, und wir, Kanton und Gemeinden, haben eine Vorbildfunktion.» Aber auch darüber hinaus gebe es weiteres Potenzial. Dieses will sie jetzt mit den Gemeinden ausloten.
Aber es ist nun mal so, dass es nur sehr beschränkte Möglichkeiten in der Kompetenz der Regierung beziehungsweise des Kantons gibt, darauf zu reagieren. So tauchte denn der Begriff einer «gewissen Hilflosigkeit» in der Kantonsratsdebatte am Mittwoch immer wieder auf.