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Bundesfeier, Corona und anstehende Wahlen...

33 Fragen an Frau Landammann Birgit Wyss

von Balz Bruder - Solothurner Zeitung 31.7.2020

Brigit Wyss auf offizieller Naturexkursion zum Thema «Biodiversität im Wald».

© Hanspeter Bärtschi

Wir haben 33 Fragen an Frau Landammann Brigit Wyss gerichtet.
Zum 1. August, zur Pandemie, zu den Ferien – und zu den bevorstehenden Wahlen.

 

Was war der 1. August für Sie, bevor Sie Regierungsrätin wurden?

Brigit Wyss: Als Kind der Tag, an dem die Mutter die Blumenkistli mit dem Schweizerkreuz schmückte und wir uns auf das 1.-August-Feuer freuten.

 

Und was ist er jetzt?

Ein Tag, mit dem ich mich über längere Zeit gedanklich auseinandersetze.

 

Was machen Sie mit der Rede, die Sie vorbereitet haben und nicht halten können?

Ich habe keine Reden vorbereitet, sondern nur Stichworte gesammelt, die ich nun als Gedankenstützen auch in einem anderen Zusammenhang nützen kann.

 

Sie könnten sich auf den Balkon stellen und rezitieren, oder?

Das wäre mal was anderes – aber Politik von oben herab funktioniert nicht.

 

Was tun Sie stattdessen am Bundesfeiertag?

Ich treffe mich mit der Familie und Freunden.

 

Kein Cervelat und kein Feuerwerk?

Doch! Wurstbraten gehört dazu, das Feuerwerk nicht unbedingt.

 

Autor Peter von Matt sagte jüngst in einem Interview: «Corona ist der drastische Gegenbeweis zu diesem tollen Phantasma, wonach das Land absolut singulär ist und etwas, das es sonst nicht gibt.» Ein guter oder ein schlechter Satz?

Ich würde den Satz nicht werten. Er beschreibt eigentlich nur, was wir im Grunde bereits wissen und Corona nun sichtbar gemacht hat: Weder ein einzelner Mensch noch ein einzelnes Land sind eine Insel; wir leben in einer vernetzten Welt.

 

Sorgt die Pandemie also auf leisen Sohlen dafür, dass die Eidgenossenschaft quasi ihr Alleinstellungsmerkmal, gleichsam ihre paradiesische Autonomie verliert?

Ich glaube nicht, dass die Eidgenossenschaft etwas verliert. Durch die Pandemie hat sich aber unser Selbstverständnis verändert, und das kann sich auch auf die Schweiz auswirken.

 

Sie hätten in Erschwil und Grenchen zu den Bürgerinnen und Bürgern gesprochen. Geben Sie uns einen Hinweis darauf, was Sie ihnen gesagt hätten?

Ich wollte über Solidarität reden und darüber, dass es gleichzeitig auch Respekt braucht, weil Menschen sehr unterschiedlich auf Krisen reagieren.

 

Eine 1.-August-Rede ohne Covid-19: Kann sich das eine Politikerin, ein Politiker in diesem Jahr überhaupt leisten?

Ich denke, man kann gut über ein anderes Thema sprechen; Corona wird aber trotzdem immer dabei sein.

 

Hand aufs Herz: Haben Sie manchmal nicht auch die Nase voll von diesem Virus?

Das Virus ist das eine, die Diskussionen darüber das andere und ich bin froh, wenn sich nicht immer alles nur um das Virus dreht.

 

Was tun Sie gegen den Pandemie-Frust?

Zu Hause bleiben und lesen.

 

Und wie verläuft Ihr Sommer sonst so? Ferien am Strand oder Wandern in den Bergen?

Ferien am Thunersee und Wandern entlang des Doubs.

 

Ebenfalls der Pandemie oder dem Klimawandel geschuldet?

Dieses Jahr ist mein Aktionsradius durch die Pandemie kleiner geworden.

 

Verraten Sie uns, wo Sie schon immer hinwollten?

In den Norden Europas.

 

Und weshalb haben Sie es bisher nicht getan?

Bis jetzt kam immer etwas dazwischen – aber ich bleibe dran.

 

Wenn Sie auswählen könnten: Was würden Sie lesen? «Das Verschwinden der Stephanie Mailer» von Joël Dicker? «Darwin gegen Kant» von Frank Urbaniok? Oder «Die Entdeckung der Langsamkeit» von Sten Nadolny?

Das erste und das dritte Buch habe ich bereits gelesen – es wäre also «Darwin gegen Kant». Ich würde aber das Buch «Die Entdeckung der Langsamkeit» wählen und es gerne noch einmal lesen.

 

Was wollten Sie schon lange lesen und haben es immer noch nicht geschafft?

Da ich viel und gerne lese passiert mir eher das Gegenteil: Ich bin immer offen für Neuentdeckungen.

 

Und was kommt an einem lauen Sommerabend bei Ihnen auf den Tisch?

Tomaten, Käse, Wurst, Brot oder auch einmal ein Birchermüesli.

 

Und ins Glas?

Ein Panaché oder ein gespritzter Weisswein.

 

Nehmen Sie Regierungsakten in die Ferien?

Ja, aber nur in digitaler Form.

 

Lust oder Last?

In dringenden Fällen bin ich selbstverständlich erreichbar; ansonsten wähle ich die Dossiers nach meinem jeweiligen Interesse aus.

 

Vermissen Sie etwas in den Ferien, wenn Sie ans Regieren denken?

Nach ein paar Tagen gelingt es mir meistens, mich vom Alltag zu lösen und dann vermisse ich nichts.

 

Ertappen Sie sich beim Regieren manchmal beim an die Ferien denken?

Normalerweise nicht. Wenn aber die Ferien näher rücken, dann denke ich schon daran.

 

«Wir werden alles daran setzen, dass niemand durch die Menschen fällt», sagten Sie zu Beginn der Coronakrise in einem Interview mit dieser Zeitung. Können Sie das Versprechen einlösen?

Die coronabedingten Sofortmassnahmen Kurzarbeit, Erwerbsersatz und Kredite haben schnell gegriffen und zusammen mit dem kantonalen Überbrückungsfond geholfen, Härtefälle zu vermeiden. Da wir noch länger mit Einschränkungen rechnen müssen, prüfen wir weitere Massnahmen.

 

Ist der Preis, den der Staat für die Bewältigung der Krise bezahlt, gerechtfertigt?

Das lässt sich heute unmöglich sagen. Sicher ist, dass wir auf verschiedensten Ebenen ein hohes Lehrgeld bezahlen.

 

Wie viele Pandemien mit diesen Folgen und diesen volkswirtschaftlichen Kosten können wir uns leisten?

Wir sammeln laufend Erfahrungen im Umgang mit einer Pandemie und werden allfällige neue Krisen besser und damit mit weniger volkswirtschaftlichen Kosten bewältigen.

 

Sie gelten als armeekritisch. Werden Sie die Kampfjet-Beschaffung unterstützen?

Ich kenne als Frau die Armee eher aus der Distanz. Ich habe aber keine Berührungsängste und verfolge mit Interesse die sicherheitspolitischen Diskussionen.

 

Und was ist mit der Begrenzungsinitiative?

Der Regierungsrat hat sich im Rahmen der Plenarversammlung der Konferenz der Kantonsregierungen gegen die Begrenzungsinitiative ausgesprochen.

 

Finden Sie auch, dass «jetz mir draa» sind?

Der Regierungsrat hat sich in seiner Legislaturplanung 2017–2021 zum Ziel gesetzt, als Standort steuerlich konkurrenzfähig zu bleiben für juristische und natürliche Personen. Nach der Umsetzung der Steuervorlage und AHV-Finanzierung prüft der Regierungsrat weitere Entlastungen im Bereich der unteren und mittleren Einkommensklassen.

 

Sind die Wahlen schon ein Thema für Sie?

Ja, ich befasse mich damit und werde jetzt auch häufiger darauf angesprochen.

 

Welches Gefühl beschleicht Sie dabei?

Ich bin sehr gespannt und sehe den Wahlen mit Respekt entgegen.

 

Zum Schluss noch dies: Holen Sie die ausgefallenen Bundesfeier-Reden in Erschwil und Grenchen nächstes Jahr nach?

Falls möglich und gewünscht – ja, sehr gerne.