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Ein «Glücksfall» für den Kanton

Hier werden Implantate aus dem 3D-Drucker hergestellt

 von Urs Mathys - Solothurner Zeitung 4.9.2020

Foto. Hanspeter Bärtschi

Mit dem Swiss m4m Center wurde Bettlach zum Standort eines Technologietransferzentrums mit nationaler Ausstrahlung.

Massgeschneiderte Implantate, die aus dem Drucker kommen: Dieser Technologie will das Technologietransfercenter Swiss m4m Center in der Medizinaltechnik zum Durchbruch verhelfen. Am Donnerstagabend ist das Center in Bettlach offiziell eröffnet worden. Die Anwesenheit von Prominenz aus Forschung, Wirtschaft und Politik – darunter Frau Landammann Brigit Wyss – unterstreicht die hohen Erwartungen, die in das Projekt gesteckt werden.

 

Die Superlative jagten sich in den verschiedenen Voten, die dem offiziellen Akt des Banddurchschneidens vorausgingen. Von einem «Leuchtturm, der in die ganze Schweiz und darüber hinaus ausstrahlen wird», war die Rede. Vom Aufbau, der innerhalb eines Jahres mit der «Beschleunigung eines Tesla» erfolgt sei und ganz viel von «Leidenschaft».

 

Frau Landammann Brigit Wyss sprach von einem «Glücksfall» und zeigte sich stolz über die Ansiedlung des Swiss m4m Center in Bettlach. Von dessen Dienstleistungen werde auch – aber längst nicht nur – die im Kanton stark vertretene Medizinaltechnikbranche massiv profitieren können.

 

Im Rennen um Fördergelder des Bundes

Die in Bettlach angebotenen Dienstleistungen könnten für die Medtech-Branche der Schweiz «von grösster Wichtigkeit» sein, sagte etwa Thomas Wahl, Verwaltungsratspräsident des Swiss m4m Centers. Für Michael Hengartner, Präsident des ETH-Rates, zeugt die Einrichtung von der entscheidend wichtigen Zusammenarbeit und Vernetzung von Forschung, Lehre und Industrie in Zukunftstechnologien. Er wies darauf hin, dass im Land ein Netz von Technologietransferzentren zu mehreren Fachbereichen aufgebaut werden soll.

In einer Videobotschaft liess Nicole Schaad, Ressortleiterin nationale Forschung beim Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation, durchblicken, dass das Center im Rennen um Fördergelder des Bundes auf guten Wegen sei. Als CEO des Swiss m4m Center berichtete schliesslich Nicolas Bouduban vom bereits feststellbaren «riesigen Interesse» aus der ganzen Branche. Dies stimme ihn zuversichtlich, dass das als Aktiengesellschaft konzipierte Center innerhalb von fünf Jahren selbsttragend werde arbeiten können.

 


 

Seit Sommer werden in Bettlach erste Implantate gedruckt

Das Technologietransferzentrum wird im Rahmen einer Partnerschaft privater Firmen und der öffentlichen Hand (Public-private-Partnership) aufgebaut und betrieben. Einer dieser Industriepartner ist die Bettlacher Medizinaltechnikfirma 41medical, in deren Liegenschaft das Zentrum untergebracht ist. Mit dem Standort Bettlach liegt das Swiss m4m Center mitten im Medizinaltechnik-Cluster am Jurasüdfuss. Die AM-TTC-Alliance, der Dachverband zum Aufbau von Technologietransferzentren in der Schweiz, stellt für die Jahre 2020/21 2,5 Mio. Franken zur Verfügung. Weitere Beiträge sind in Aussicht gestellt.

Die «Mission» des Swiss m4m Centers ist es, den 3D-Druck für die Herstellung von medizinischen Implantaten aus Metall in der Schweiz zu etablieren und insbesondere auch Klein- und Mittelbetrieben der schweizerischen Medtech-Industrie einen Zugang zu dieser innovativen Technologie zu verschaffen. Ein grosser Vorteil des 3D-Drucks von Implantaten ist es, dass auch höchstkomplexe Formen hergestellt werden können, die mit herkömmlichen Methoden nicht oder nur sehr schwierig gefertigt werden können.

 

Was ist bisher in Bettlach konkret realisiert worden?

Seit Sommer 2019 konnte praktisch die komplette Infrastruktur des Swiss m4m Centers aufgebaut werden. Dazu gehörten der Erwerb und die Inbetriebnahme von drei 3D-Druckern sowie diversen Anlagen für die Nachbearbeitung. Somit konnte die angekündigte Produktionslinie für das 3D-Printing etabliert werden. Zudem haben sich bereits über 40 Partner dem Swiss m4m Center angeschlossen. Am 23. September 2019 wurde das Swiss m4m Center offiziell gegründet.

 

Wann erfolgte der operative Start effektiv? Vorgesehen war «Anfang 2020».

Trotz Corona konnten bereits im Sommer erste Aufträge ausgeführt werden.

Wer gehört im Rahmen der Public-private-Partnership aktuell zu den Trägern?Die Träger werden repräsentiert durch die vier Aktionäre: die Empa Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, die Fachhochschule Südschweiz (Supsi) sowie die Medtech-Firmen Precipart (Lyss) und 41medical (Bettlach).

 

Werden zusätzliche Träger gesucht?

Das Swiss m4m Center sucht laufend Partner, die eine wichtige Rolle spielen könnten, um die additive Fertigung in der Medizintechnik besser zugänglich zu machen.

Entspricht das Interesse potenzieller Nutzer aus Medtech und Forschung den Erwartungen?Das Swiss m4m Center steht noch relativ am Anfang der Aktivitäten. Die Träger wollen den Nutzen des Transfercenters durch weitere Projekte im Verlauf des Jahres sowie Ende 2020 / Beginn 2021 beurteilen.

 

Konnten bereits Aufträge ausgeführt werden?

Bereits werden erste Projekte durchgeführt und Produkte für erste Kunden gefertigt. Ein konkretes Beispiel ist der Aufbau eines Schulungskonzeptes mit lokalen Institutionen in der Region.

 

Wie wird das Swiss m4m Center von seinen Nutzern/Kunden entschädigt?

Das Swiss m4m Center ist eine Aktiengesellschaft mit dem Ziel, innerhalb von fünf Jahren wirtschaftlich selbsttragend zu werden. Alle Kundenaktivitäten, die im Zentrum durchgeführt werden, werden den Kunden weiterverrechnet.

 

Für die Aufbau- und Startphase wurden drei Personen eingestellt. Wie viele sind es heute – in welchen Funktionen?

Die drei ursprünglichen Mitarbeiter sind noch immer Teil des Swiss-m4m-Center-Teams in den Funktionen CEO, Associate Project Manager, Techniker. Neu ist noch ein vierter Mitarbeiter als Projektleiter Qualität/Sicherung dazugekommen, welcher zusätzlich noch für den Aufbau des Qualitätsmanagements verantwortlich ist.

 

Für die Startphase 2020/21 stellte die AM-TTC-Alliance 2,5 Mio. Franken zur Verfügung. Reicht dies – angesichts eines teuren nötigen Anlagenparks – aus?

Die Anschubfinanzierung hat gewisse Mittel für die Infrastruktur und Ressourcen des Zentrums ermöglicht und die ersten Projektdurchführungen unterstützt.

 

Was sind mögliche zusätzlichen Einnahmequellen?

Mögliche Einnahmequellen sind Beiträge der Kantone Solothurn und Bern sowie zum grossen Teil vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI).

 

Was sind die nächsten Ausbauschritte?

Projekte durchzuführen und das Qualitätsmanagementsystem zu etablieren. (ums.)