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Keine Totalopposition mehr

Solothurner Wirtschaft honoriert den Weg der Regierung zu mehr Klimaschutz

Solothurner Zeitung, Christof Ramser, 30.06.2023

Hans Moor, Projektleiter der Totalrevision des Solothurner Energiegesetzes und Regierungsrätin Brigit Wyss erhalten Anerkennung für ihr Vorgehen. (Bild: Carole Lauener).

Gewerbeverband und Handelskammer loben den Stakeholder-Prozess für das neue Solothurner Energiegesetz. Dass weiterhin fossile Heizungen eingebaut werden können, ist ganz im Sinne der Hauseigentümer – bei ihnen bleiben aber Fragen offen.

 

 

Was lange währt, wird endlich gut. Eine Floskel zwar, doch sie könnte sich beim neuen Solothurner Energiegesetz bewahrheiten. Nach über 30 Jahren soll der Kanton mit seinem vergleichsweise hohen Ausstoss an Treibhausgasen ein neues Regelwerk für eine nachhaltige Energiepolitik erhalten.

 

Am Donnerstag hat Regierungsrätin Brigit Wyss (Grüne) die neue Vorlage präsentiert. Und sie hat den Ratschlag erhört, den ihr die Solothurner Handelskammer im Juni 2018 mit auf den Weg gegeben hat. Damals hat die Stimmbevölkerung das Energiegesetz bachab geschickt. Es gelte, zusammen mit den Wirtschaftsverbänden, Hauseigentümern und den Gemeinden möglichst bald eine mehrheitsfähige Lösung zu finden, kommentierte der Wirtschaftsverband damals.

 

Nun sind fünf Jahre auch im konsensorientierten Kanton Solothurn durchaus eine lange Zeit. Dafür hat Volkswirtschaftsdirektorin Wyss nun einen Kompromiss ausgehandelt, der die Anliegen der damaligen Gegner berücksichtigt.

 

«Im positiven Sinn keine Überraschungen»

Das Resultat biete «im positiven Sinn keine Überraschungen», heisst es nun bei der Handelskammer, die sich vor fünf Jahren gegen die Regierung und eine Mehrheit des Kantonsrats durchgesetzt hatte. Das Gesetz sei liberal ausgestaltet, setze auf Anreize und Bonusprogramme statt Verbote. «Das ist der richtige Weg, den wir mittragen können», sagt Direktor Daniel Probst. Die Kosten von 8 bis 9 Millionen Franken pro Jahr bezeichnet er als «angemessen».

 

Hinzu kommen Anschubhilfen dort, wo die Gemeinden oft anstehen. Zum Beispiel bei Fernwärmeprojekten. Ein Bereich, in dem die Aare Energie AG in Olten, die Probst präsidiert, ebenfalls aktiv ist.

 

Handel, Industrie und Dienstleistungsbetriebe hätten nun Vorgaben, auf die sie sich verlassen können. Die Gefahr eines Mitnahmeeffektes von Unternehmen, die auch ohne Fördermassnahmen in erneuerbare Energien investiert hätten, schätzt Probst als gering ein.

 

Beim Solothurner Gewerbeverband (KGV) lobt man den Stakeholder-Prozess. Er sei noch selten so gut angehört worden, sagt Geschäftsführer Andreas Gasche. Und er lobt, dass viele Anliegen der KMU in das neue Gesetz eingeflossen sind. Gerade der Verzicht auf ein Verbot von Öl- und Gasheizungen – Stichwort Eigenverantwortung – dürfte in Gewerblerkreisen gut ankommen. Schliesslich gelte es zu berücksichtigen, dass manch einer mangels Bankkredit gar nicht in eine neue Heizungsanlage investieren könnte, sagt Gasche.

 

Auch dass die Eigenstromerzeugung bei Neubauten technologieneutral gestaltet werden soll, kommt beim KGV gut an. Schliesslich gebe es auch Liegenschaften in «Schattenlöchern», wo Solarpanels keinen Sinn machen, so Gasche. «Insgesamt würdigen wir das neue Energiegesetz positiv», sagt der oberste Gewerbler im Kanton.

 

SP will «sehr kritisch hinschauen»

«Sehr kritisch» anschauen will man die Gesetzesrevision bei der SP. «Nach dem klaren Ja zum Klimaschutzgesetz erwarten wir, dass auch der Kanton Solothurn endlich ein griffiges Energiegesetz bekommt», sagt Co-Präsident Hardy Jäggi. «Und wir erwarten, dass jene, die bei der Abstimmung unterlegen sind, ihren Widerstand dagegen aufgeben.»

 

Damit spricht er in erster Linie den Hauseigentümerverband (HEV) an. Dieser hatte vor fünf Jahren den ersten Anlauf zum neuen Gesetz massgeblich ausgebremst. Und wird auch dieses Mal ein gehöriges Wort mitreden, liegt der Gebäudebereich, der von den Massnahmen am stärksten betroffen ist, doch in kantonaler Kompetenz.

 

HEV-Präsident Markus Spielmann konnte sich noch keine umfassende Übersicht über die Massnahmen verschaffen. Und kann somit nicht sagen, ob ihn das «Gesamtpaket» überzeugt. In diesem Fall, so sagte Spielmann jüngst gegenüber dieser Zeitung, wären die Hauseigentümer zu Zugeständnissen bereit.

 

Als Pièce de Résistance galt beim HEV bisher die Vorschrift, dass jedes Haus sein eigenes Kraftwerk sein soll, sprich: dass neue Gebäude einen Teil der konsumierten Elektrizität selber produzieren müssen, vor allem mit Solaranlagen. Wie viel Strom selber erzeugt werden muss, ist allerdings nicht im Gesetz vorgeschrieben. Solothurn will sich dabei an den Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich orientieren. Dass diese Mustervorschriften vor fünf Jahren Teil der solothurnischen Gesetzgebung waren, war damals mit ein Grund für die Opposition der Hauseigentümer.

 

Betroffen sind diese nicht zuletzt durch die Pflicht, bei neuen Einstellhallen die Voraussetzungen zu schaffen, um E-Autos zu tanken. Dass hier einzig die vorbereitenden Arbeiten verlangt werden und nicht die fertige Infrastruktur, sei im Sinne des HEV, sagt Spielmann.

 

Ein Auge halten werde der HEV auf den CO2-Grenzwert, der eingehalten werden muss, um weiterhin fossile Heizungen installieren zu können. Grundsätzlich ist es laut Spielmann der richtige Weg, keine Verbote auszusprechen, sondern es den Liegenschaftsbesitzern zu überlassen, auf welche Technologie sie setzen wollen. «Aber es spielt natürlich schon eine Rolle, wo die Grenzwerte zu liegen kommen.»

 


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